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7 Kommentare
1) Wolf-Dieter,
Montag, 27. April 2009, 08:51 Uhr
Sie mögen Herrn Lafontaine nicht. Sie leiten aus seinen Äußerungen über den Volkszorn einen Aufruf zum Rechtsbruch her. Über die berechtigten Gründe für den Zorn habe ich in Ihrem Artikel wenig gelesen. Diesen Standpunkt teile ich nicht, kann ihn aber akzeptieren.
Es gibt aber eines, wovor ich mich ernsthaft fürchte: dass nämlich die politischen Pleitiers der letzten 20 Jahre nach der Wahl weitermachen wie bisher.
2) Duke Bosvelt,
Montag, 27. April 2009, 09:15 Uhr
Lafontaine & Wirtschaftskompetenz
Man muss ihm trotz seiner bisweilen instrumentellen, aufwieglerischen Rhetorik und Wahlkampfstrategie zugute halten, dass er einer der wenigen deutschen Politiker gewesen ist, der vor den realen Gefahren im Vorfeld der Finanzkrise gewarnt hat (spekulatives Geldvolumen, Steuerbefreiung bei Unternehmensveräußerungen, fehlende Hedgefondsregulierung usw). Sollte sich nach dem Auslaufen der Kurzarbeit und dem rapiden Anstieg der Arbeitslosigkeit im August/September die Straße radikalisieren und die politische Schuldfrage gestellt werden, weshalb etwa in den letzten Jahren der Export zuungunsten von Löhnen, Binnennachfrage und Sozialstaat hochgefahren wurde, dann könnte sich an der Popularität sowie Kompetenzzuschreibung von Lafontaine noch einiges ändern.
Links- & Rechtsextreme
Zu Berücksichtigen ist, dass die Linke ein nicht unerhebliches Protestpotential der Rechtsextremen in demokratische Kanäle überführt, insbesondere in Ostdeutschland: was auch daran liegt, dass einige wirtschafts- und sozialpolitische Forderungen mit denen der Rechtsextremen übereinstimmen (Kapitalismuskritik und abgeleitete Themen wie Mindestlohn und andere Umverteilungen). Die Linke hat von allen Oppositionsparteien die vielleicht schwierigste Aufgabe, den hochkommenden Protest einerseits politisch angemessen abbilden zu können (bevor es die NPD tut), andererseits aber nicht selbst die Stimmung anzuheizen und den Protest zu radikalisieren. Auch mir gehen die konkreten Äußerungen Lafontaines zu weit, wenngleich ich einsehe, dass der Protest ein demokratisches Venti mit entsprechenden Persönlichkeiten braucht.
Inflationsgefahren
sie sind, wie M.Spreng schreibt, bestenfalls mittelfristige Gefahren. Das kurzfristige Hauptproblem ist die Deflation, die Investitionszurückhaltung, der Preisverfall, die Massenarbeitslosigkeit, die Aufwertung aller bereits vorhandenen Staatsschulden. Wenn Konsumenten und Unternehmen Lohnzurückhaltung üben, muss der Staat notwendigerweise in die Schulden gehen und dadurch den Wirtschaftskreislauf anheizen, bevor das gesamte System zum erliegen kommt. Eine Brüningpolitik eiserner Sparvorhaben würde nicht nur sozialen Sprengstoff freisetzen, sondern wäre auch wirtschaftspolitisch eine Katastrophe. Die Politik muss Krisenmanagement üben und das Notwendige tun, und NICHT darüber fabulieren, dass der Geschäftsklimaindex gestiegen, die Talsohle vielleicht überschritten sei und der Aufschwung kurz bevorstehe. Das ist gefährliche Augenwischerei.
Gespart werden muss dann, wenn wir tatsächlich im Aufschwung angekommen sind – aber das wird mindestens 1 1/2 Jahre, wahrscheinlich noch länger dauern. Wahlkampfgeschenke sind in der Tat für die nächsten Jahre passé.
3) PeterM,
Montag, 27. April 2009, 12:22 Uhr
@Duke:
Vielen Dank für die Ausführungen zum Thema Lafontaine und Wirtschaftskompetenz. Ich sehe den Komplex ähnlich. Die Mitverursacher der Krise sollen diese heute bekämpfen, was mehr als lächerlich ist. Das diese nun diejenigen die seit langen davor und den Mechanismen gewarnt haben in Grund und Boden geschrieben haben möchten ist menschlich zwar verständlich, politisch/professionell aber erbärmlich. Das ist im übrigen deckungsgleich mit der Bewertung der Methoden die zur Herstellung der deutschen Einheit gewählt wurden. Damals wie heute hat Lafontaine Recht ist damit aber mehr als unbequem.
4) Duke Bosvelt,
Dienstag, 28. April 2009, 09:54 Uhr
Ich halte ein Diskursszenario, das von einem tiefen Mißtrauen in die regierenden Parteien kurz vor der Bundestagswahl gekennzeichnet ist, nicht für ausgeschlossen. Zwar ist das von M.Spreng in Aussicht gestellte Szenario, dass sich die Bevölkerung kaufmännisch-kühl verhält und in Krisenzeiten dem wirtschaftskompetenten Establishment vertraut, beim Stand der Dinge das wahrscheinlichere – dennoch könnte bis zur Bundestagswahl die ein oder andere politische Bombe platzen.
Denkbar wäre ein handfester Skandal mit politischer Prominenz im Fall der HRE und des dazugehörigen Geheimausschusses, spektakuläre Aufdeckungen im Hinblick auf politisch-wirtschaftliche Verfilzungen, beflügelt von der ein oder anderen Wahlüberraschung in Saarland und Thüringen, die das politische Klima bis zur Bundestagswahl prägt (die FDP war nach ihrem Hessenerfolg wochenlang im bundesweiten Umfragehoch) etc. pp.
Kurzum: Es könnte neben das Kriterium der Wirtschaftskompetenz ein weiteres, stimmungsgeladenes Wahlmotiv hinzutreten, das möglicherweise von Mißtrauen und Protest in- und gegen das Regierungsestablishment geleitet ist. Die unter der Oberfläche der german Lässigkeit brodelnde Unzufriedenheit, die sich in der Demoskopie als Politik- und Demokratieverdruss manifestiert, könnte im unzureichenden Umgang mit der Finanzkrise ihr Ventil finden. Schon Heiner Geißler beschwor den unterschwelligen Volkszorn gegen unser Wirtschaftssystem und dessen repräsentative Elite, als wir noch im Aufschwung begriffen waren (http://www.youtube.com/watch?v=3oZjF10fMus). Auch warnte der ehemalige CDU Generalsekretär vor einem neoliberalen (im Sinne von marktradikalen) Kurshalten der Volksparteien, weil dies eine ernsthafte Bedrohung unserer Demokratie darstellen würde.
“Man sollte die Geschichte nicht durch einen Mangel an Phantasie beleidigen”
– Theo Sommer, ehem. Herausgeber der ZEIT
5) C.Mayer,
Dienstag, 28. April 2009, 10:55 Uhr
Die Krise ist keine Naturkatastrophe, sie wirde von Menschen gemacht. Die faulen Wertpapiere von der Politik erst zugelassen. Unter Schröder wurden so genannte Finanzmarktgesetze erlassen, die den Staat und die Sparer nun betrügen. Nun erwarten Sie, Herr Spreng, dass uns die politischen Bankrotteure auch wieder aus der Krise herausführen. Lafontaine hat wahrscheinlich auch keine einfachen Mittel zur Lösung der Probleme, aber er hat im Bundestag immer vor den verheerenden Folgen der Finanzliberalisierung gewarnt. Dagegen sind Merkel, Steinmeier, Steinbrück und Westerwelle mit ihrer Politik der freien Märkte gescheitert. Von Frau Kopfpauschalen-Merkel erwarte ich nichts. Wenn ihr nicht mehr einfällt, als die Verschrottungsprämie, naja, und Herr Steinbrück glaubt, mit ein paar Millionen aus der Schweiz Geld für seine Rettungspläne zu bekommen. Hoffentlich kennt er den Unterschied zwischen einigen Millionen und mehreren hundert Milliarden, die uns die kriminellen Banken kosten werden. In diesem Zusammenhang über Lafontaine herzuziehen ist leider nur als Schutz für Kriminelle und deren Handlanger zu verstehen.
6) Michael Schäfer,
Dienstag, 28. April 2009, 16:56 Uhr
Bis vor ca. 4 Jahren wurde nur im kleinsten Familienkreis die Lage des Landes diskutiert und abschliessend festgestellt: “hier läuft was schief”. Mittlerweile ist das Konsenz über den Stammtischen. Diese Stimmung macht sich neuerdings auch unter den Politikern breit, es brodelt sichtlich im Land und ich sehe nicht, dass sich dies kurzfristig ändern wird. Die Gewerkschaften lösen sich langsam aber offensichtlich auf, verfolgen nur ihre eigenen Interessen und der soziale Frieden leidet.
Wenn denn, wie am Sonntag im Presseclub vermutet, nach der Krise nichts mehr ist, wie es war, sehe ich schwarz – einerseits für mich, meine 3 Töchter im Studium und meine Eltern als Rentner.
Dann erbricht sich der Mittelschichtsbauch und ein Schwall von Zeitarbeitern und Hartz4 Empfängern, oder wie diese Klientel bis dahin heissen mag, ergießt sich über die BRD.
Ich gehe am 1. Mai erstmals seit 25 Jahren wieder auf eine Demo. Ich denke, es kann so nicht weitergehen.
7) Hans Peter,
Dienstag, 28. April 2009, 23:15 Uhr
Es sollte darauf hingewiesen werden dass die Hauptinstitution die die Inflation steuern bzw verhindern kann nicht die Bundesregierung (mit der von ihnen geforderten Sparpolitik) ist sonder sie EZB mit ihrer Geldpolitik, Solange das jetzt in die Märkte gepumpte Geld wieder rechtzeitig eingesammelt wird sehe ich keine allzu großen Inflationsgefahren durch Ausgabenprogramme. Anders in den USA, wo die Fed auch Arbeitsmartkpolitische Ziele erfüllen soll und stärker abhängig von der Regierung ist. Aber selbst dass würde nur den Wechselkurs Dollar-Euro verändern.